1. Anlasser
Ein Knopfdruck genügt
und die Maschine schnurrt. Mit unseren
Gefühlen ist das weit
schwieriger, auch wenn wir meinen, sie
müßten ähnlich
funktionieren. Doch wie heißt es: "Tausendmal
berührt...!?" Gefühle
lassen sich nicht so einfach ein- und
abschalten.
Der Mensch ist keine Maschine.
Auch der Partner, die Partnerin
nicht, selbst wenn wir manchmal
im Blick auf unsere
Beziehungen vom Funktionieren
sprechen.
Gefühle brauchen Nähe,
Wärme, Zeit; sie müssen gepflegt
werden, bevor wirklich etwas
"passieren" kann.
Für ein gutes Miteinander
mag es verschiedene Anlässe geben,
die zum Start helfen. Einen
eigentlichen Anlasser gibt es nicht,
dafür sehr viele schöne,
auch lustvolle Möglichkeiten, sich ganz
auf den anderen Menschen
einzulassen.
Die Achtsamkeit auf die Besonderheit
des anderen ist die
schönste Art Gefühle
zu wecken, zu verschenken und zu
empfangen. Nicht selten
der Start zu einem gemeinsamen
Leben.
2. Gas
Das Einfachste bei der Bedienung
des Motorrads ist das Drehen
am Gasgriff. Kurzer Aufwand,
gewaltige Wirkung. Wir haben es
buchstäblich in der
Hand, ob wir auf dem Motorrad gemütlich
über Land tuckern oder
wie mit einer Rakete davonschießen.
Der entscheidende Dreh zur
Sofortbefriedigung liegt. Bequemer
geht es nicht mehr. Wirkung,
Erfolg, Bedeutung, Leistung
entfalten sich bereits mit
einer knappen Drehung. Das ist es,
was das Motorrad für
viele zu einem geilen Instrument macht.
Wir haben die Maschine mit
ihrer ganzen Leistung buchstäblich
in einer Hand. Haben wir
uns damit selber in der Hand?
Menschliche Sehnsucht ist
groß. Wir haben Sehnsucht nach
mehr und wissen oft nicht,
wovon wir eigentlich mehr haben
wollen.
Der Gasgriff sagt uns, wie
sehr wir bedürftig sind; daß uns
diese Welt nicht zufrieden
stellen kann. Alles, was an unserem
Motorrad ist, verweist uns
über uns hinaus. Selbst wenn wir das
Schönste erleben, müssen
wir uns sagen: Das kann es nicht
gewesen sein.
Das ist das Geheimnis der
Maschine, das es für das Leben zu
entschlüsseln und zu
deuten gilt.
3. Tankstelle
Auch wenn wir uns darüber
ärgern und wenn es den
Geldbeutel ganz schön
schröpft,
nach einer bestimmten Kilometerzahl
müssen wir eine
Tankstelle anfahren. Die Tankfüllung
ist der
Preis für die Mobilität,
für die Erfahrung und das Erlebnis,
unterwegs zu sein. Diesen
Preis haben wir wieder und wieder
zu zahlen.
Das sehen wir ein, aber ansonsten
huldigen wir dem
Aberglauben, es gehe im
übrigen Leben ohne Tankstelle, ohne
Auftanken. Es könne,
es müsse immer er so weiter gehen. Wer
keine Tankstelle für
sein Leben gefunden hat, verliert an Fahrt;
schlimmer noch, er verliert
seine Mitte und kommt an sein Ende.
Dann läuft ganz einfach
nichts mehr. Jeder von uns braucht
nach entsprechenden Lebens-kilometern
einen Halt, bei dem er
auftanken kann.
Wenn wir merken, daß
uns der Saft ausgeht, brauchen wir eine
Raststätte. Damit die
Seele nachkommen kann. An der
Raststätte, das muß
nicht unbedingt eine Kirchenbank sein,
können wir uns zurücklehnen.
Wir können in uns
hineinschauen, wir werden
auf uns achten und versuchen, auf
das zu hören, was Gott
uns sagen will. Wenn Er uns wieder
aufgefüllt hat, kann
es in flotter Fahrt bis zur nächsten
Tankstelle weitergehen.
4. Sozia/us
Viele Menschen leben heute
einsamer als früher. Sie leben als
Singles, oft gewollt, nicht
selten auch unfreiwillig. Wenn das
Leben zwei Singles zusammenbringt,
dann meist auf eine
ziemlich unverbindliche,
manchmal sogar auf unverantwortliche
Weise. Man sucht und findet
eine kurze Befriedigung und geht
wieder auseinander, vielleicht
einsamer als zuvor.
Etwas ganz anderes signalisiert
der Soziussitz auf der
Maschine: da gehören
zwei so richtig zusammen. Sie halten
sich fest; sie schwingen
miteinander im Takt des Motors; sie
wiegen sich im Schwung des
Motorrads; sie singen miteinander
im Takt ihrer Herzen.
Mit der Zeit erreichen sie
die gleiche "Kurvenlage", sie werden
mehr und mehr eins. Sie
erfahren ein Leben, das nicht nur das
Motorrad zusammenhält,
für das die Maschine aber ein Zeichen
sein kann.
Es ist ein schönes Gefühl,
gemeinsam unterwegs zu sein,
festgehalten zu werden,
festhalten zu dürfen; einander das
Gefühl von Sicherheit,
Gleichklang und Geborgenheit zu
schenken.
5. Festhalten
Wenn zwei miteinander auf
dem Motorrad fahren, müssen sie
einander durch möglichst
engen Körperkontakt Halt geben,
sollten sie möglichst
miteinander ein "Herz und eine Seele"
sein. Das gemeinsame Körpergefühl,
die parallelen Reaktionen
erleichtern das Fahren gerade
in Kurven oder in schwierigen
Situationen.
Es gibt Ereignisse in unserem
Leben, da sagen wir dem
anderen:
Halte mich jetzt ganz fest,
damit wir gut voran-, damit wir gut
ankommen. Dazu gehört
Vertrauen. Dieses Vertrauen
entwickeln wir aber nur
dann, wenn wir auch wieder losgelassen
werden. In einer guten Partnerschaft
sind das Festhalten und
das Loslassen ganz wichtige
Weisen des Miteinander. Das
Klammern engt ein und macht
Angst.
Jeder von uns braucht einen
sicheren und zuverlässigen Ort, an
dem er ganz ungeschützt
"Ich" sagen und sich öffnen kann.
Dieser Ort kann im wahrsten
Sinne des Wortes miteinander
erfahren werden. Drei Wünsche
gebe ich beim Gottesdienst
gerne den Motorradfahrern
mit: Paßt gut auf euch auf! Haltet
euch richtig fest. Aber
laßt euch auch los, damit ihr euch wieder
finden könnt.
6. Helm
Vor 40 Jahren fuhren wir
mit dem Motorrad ohne Helm und
Nierengurt, ohne besondere
Schutzkleidung über mäßig
ausgebaute Straßen.
Haare und Hemd flatterten im Fahrtwind.
Wer heute vor dem Start den
Helm aufsetzt, schützt nicht nur
seinen Kopf. Er sagt sich
auch: Ich bin mir etwas wert.
Menschen, die ein gesundes
Selbstwertgefühl haben, deren Ich
nicht ständig durch
aggressives Fahrverhalten auf Touren
gebracht werden muß
oder durch Streicheleinheiten getröstet,
haben sich selber im Griff.
Sie haben ein Gespür für ihre
Grenzen. Ein Angeber darf
keine Fehler zugeben, sonst
bröckelt der Putz;
deswegen trägt er immer einen "Helm"; er
muß so tun, als wäre
er immer in Fahrt.
Wer weiß, was er ist
und was er kann, bringt es fertig, im
richtigen Augenblick zu
sich ja und zu manchem deswegen
nein zu sagen. Deswegen
kann er noch zu seinen Fehlern und
Schattenseiten stehen. Er
lebt ganz bewußt, auch dann, wenn
er den Helm wieder abgenommen
hat.
7. Auspuff
Jeder weiß, was passiert,
wenn der Auspuff verstopft ist. Der
Motor stottert und stirbt
ab. Auch wenn die Verstopfung
behoben ist, will der Motor
so leicht nicht wieder anspringen. Er
muß sich erst reinigen,
bis er wieder rund läuft.
Das läßt sich
auf unser Leben übertragen: Wir nehmen Tag für
Tag ungeheuer viel auf:
Freude, Ärger, Lustvolles,
Enttäuschendes. Kraftstoffe
für unser Planen, Denken und
Handeln. Die Große
Gefahr ist, daß einer dann schnell zu ist.
Wer alles festhält,
leidet bald an Verstopfung.
Das Loslassen ist wichtig.
Normalerweise geschieht das im
Gespräch. Wer über
seine Wut wie über seine Freuden, wer
über seine Trauer und
seine Enttäuschung reden kann, befreit
sich. Er verhindert, daß
sein Motor an den eigenen Abgasen
erstickt.
Die Verstopfung kann sich
in unserem Körper leibhaftig
auswirken: wir kriegen Gallensteine,
wir ärgern uns
Magengeschwüre an,
es schlägt uns aufs Herz, geht an die
oder ist im Kopf nicht auszuhalten.
Alles Signale, daß unser
Auspuff zu verstopfen droht.
8. Licht
Am Niederrhein gibt es eine
merkwürdige Lichterprozession.
Tausende von Motorradfahrern
tuckern mit eingeschalteten
Scheinwerfern am Marienheiligtum
zu Kevelaer vorbei. Etliche
Stunden dauert dieser abendliche
Korso des Lichts.
Wo es Licht gibt, gibt es
auch Schatten. Wer für andere wie ein
Licht sein will, muß
zu seinen Schattenseiten stehen, er muß
auch die Fehler anderer
akzeptieren. Leider ist es oft so, daß wir
mit unseren grellen Scheinwerfern
unbarmherzig die
Schattenseiten der anderen
ausleuchten; sie bloßstellen. Wer
andere blendet, macht sie
unsicher, riskiert den Unfall.
Wenn wir ehrlich zu uns sind,
zeigt es sich, daß wir die
Blendung anderer nur unsere
eigenen Fehler zudecken wollen.
Wir im Licht des Scheinwerfers
unsere eigenen Flecken am
anderen sichtbar und kritisieren
damit uns selbst.
Nimm deinen Schatten zum
Weggefährten lautet eine wichtige
Lebensregel. Das will sagen,
steh zu dem, was du auch bist.
Nimm dich an, wie du bist,
dann wird dein Licht nicht blenden,
es wird leuchten und sich
mit den Lichtern der anderen zu einer
großen Prozession
verbinden.
9. Bremse
Die Bremse ist das wichtigste
Element am Motorrad. In vielen
Einzelfällen hat sie
das Leben gerettet. Wer aber voll in die
Eisen steigt, kann trotz
ABS die hilfreiche Wirkung der Bremse
in das Gegenteil verkehren.
Er steigt ab, schneller
als ihm lieb sein kann.
Viele von uns verwenden ihre
eingebaute Bremse nie. Sie
drehen sich wie der Hamster
im Rad ständig im Kreis. Sie
kreisen um sich selbst.
Wer das bei sich bemerkt, der müßte
schnellstens auf die Bremse
treten, um aus dem
selbstgewählten Druck
auszusteigen. Motorradfahrer haben ein
feines Gespür für
die Zwänge von innen und den Druck von
außen. Deswegen wollen
sie ausbrechen. Manche probieren
das an jedem Wochenende.
Aber es gelingt nicht, weil sie sich
nur selbst davonfahren.
Vor sich selber auf der Flucht,
setzen sie sich weiter unter
Druck. Sie werden immer
wieder von den eigenen Problemen
eingeholt. Dann gilt es
sanft, aber entschlossen und nachhaltig
in die Eisen zu steigen.
Es muß einer nicht erst gewaltsam
absteigen, um zu sich selbst
zu kommen.
10. Kupplung
In einer ordentlichen Kupplung
greift alles ineinander und
schaltet den Motor hinauf
oder herunter. Das sollte möglichst
satt, ohne Geräusch
und Erschütterung gehen.
Im unserem Leben läuft
das nicht immer so glatt. Das Leben ist
nicht erschütterungsfrei;
nicht selten knirscht es im Getriebe.
Wir sind angeschlagen; so
sehr verletzlich, daß wir auch andere
verletzen, selbst wenn wir
das nicht wollen. Nobody is perfekt,
sagen wir, und vergessen
doch, daß wir dazugehören.
Wenn eine Kupplung defekt
ist, werden wir sie reparieren oder
austauschen. Wenn wir nicht
mehr ruhig und sicher schalten
können, sollten wir
uns besinnen und ändern. Veränderung tritt
ein, wenn etwas Neues beginnen
kann.
Das bedeutet für uns,
manches Alte, an dem wir hängen, muß
absterben. Erst dann führt
die Veränderung zum
Anderswerden. Erst dann
schalten wir wieder sicher; erst dann
läuft unser Motor wieder
rund.
11. Fußstütze
Die Fußstützen
liegen ein wenig unter dem Schwerpunkt der
Maschine. Mir scheint, bei
der Ausstattung der Maschine
werden die Fußstützen
ein wenig stiefmütterlich behandelt,
obwohl sie sehr wichtig
sind.
Sie sind wie jener Teil unserer
Seele, der schon immer ja zu
Gott gesagt hat, und den
wir auch ein wenig abschätzig
behandeln. Die Fußstützen
unserer Seele sind ein Symbol der
Verläßlichkeit.
Wir können darauf vertrauen, daß selbst unsere
Schattenseiten, unsere Ausfälle,
unsere Alkohol- oder
Drogenprobleme zwar verfehlte,
aber immerhin Versuche sind,
eine Stütze zu finden,
die uns Halt geben in den Verrücktheiten
des Lebens.
Gott, zu dem ein Teil von
uns schon immer ja gesagt hat, ist
sich nicht zu gering, wie
ein Stück Eisen, wie ein Gummi unter
unseren Füßen
zu sein. Er wartet darauf, daß wir bei ihm einen
Halt finden und uns auf
ihm ausruhen.
12. Reifen
Die Wenigsten von euch werden
die beiden Reifen an der
Maschine mit einer Romanze
in Verbindung bringen. Unter einer
Romanze verstehen wir die
aufregende, intensive,
gefühlsbetonte, gelegentlich
dramatische Begegnung zwischen
zwei Menschen.
Eine Romanze spielt sich
zwischen Reifen und Straße ab. Beide
wärmen, heizen sich
aneinander auf, und halten doch das
rechte Maß zwischen
Haftung und Loslassen.
Bei einer Romanze geht es
darum, daß man ein Risiko eingeht,
ein Abenteuer wagt, daß
man aufbricht, um anzukommen. Bei
Abenteuer und Risiko geht
es immer um etwas Neues und
Unbekanntes. Man sucht,
was größer und bedeutsamer ist, als
man selbst. Die Romanze
zwischen Reifen und Straße, so
flüchtig sie auch ist,
bringt voran.
Die Romanze zwischen einem
Mann und einer Frau weckt für
beide ungeahnte Kräfte.
Wie viel mehr die Romanze eines
Menschen mit Gott. Sie stellt
alle bisherigen Erfahrungen in den
Schatten, wenn wir es bei
der Fahrt unseres Lebens darauf
ankommen lassen.
13. Tachometer
"Wie weit geht der Tacho?"
Als Kinder haben wir den Wert eines
Motorrads danach beurteilt:
150 - 180 - 220 - 240 ... Doch die
Geschwindigkeit ist nicht
alles, auch wenn es reizt, die Nadel
bis zum Abschlag zu treiben.
Bis zum Anschlag! Das Leben
auskosten. "Born to be wild." Das
sind nicht nur Slogans.
Das sind Sehnsüchte, die wir für unser
Leben haben. Wir wünschen
uns ein Leben, das bis an den
Rand geht.
Bevor uns diese Wünsche
buchstäblich aus der Bahn werfen,
sollten wir auf unserem
Tacho eine rote Linie ziehen: Bis hierher
und nicht weiter. Dieses
Leben kann uns nicht alles bieten,
selbst wenn wir bis an die
Grenzen gehen; auch dann nicht,
wenn wir diese Grenzen überschreiten.
Die Ernüchterung
kommt, die Enttäuschung
drückt uns nieder.
Ich kenne einen, der uns
"Leben in Fülle" versprochen hat. Das
volle Leben ist in unserer
Welt nicht zu finden. Deswegen gilt es
so durch dieses Leben zu
fahren, daß wir die Welt Gottes nicht
aus dem Blick verlieren.
Versprochen ist schließlich
versprochen.
14. Packtaschen
Packtaschen vollbringen
ein Wunder. Sie bieten wenig Raum.
Der Berg der Sachen, die
unbedingt auf die Reise
mitgenommen werden sollen,
ist riesengroß. Jetzt gilt es
auszuwählen: Was wird
gebraucht, was kann daheim bleiben?
Noch immer reicht der Platz
nicht. Eine erneute Auswahl
beginnt. Dann endlich ist
alles verstaut.
Packtaschen trennen Nötiges
von Überflüssigem und lehren
uns eine uralte Weisheit:
Christen reisen mit leichtem Gepäck.
Wir müssen nicht alles
haben, was uns angeboten wird. Wir
brauchen nicht alles, was
uns eingeredet wird. Wir können
wählen.
Mal ehrlich: Das Zuviel macht
nicht zufrieden, belastet nur.
Alles, was wir besitzen,
gilt es zu sichern. Gegen Neid. Gegen
Eifersucht. Gegen Diebstahl.
Je weniger wir mit uns herumschleppen
müssen, desto
zufriedener können
wir leben. Was wir wirklich brauchen, ist
herzlich wenig. Wenn Motorradfahrer
Ferien machen, auf
Urlaub gehen, zeigen sie
aller Welt: Unsere Reise durch dieses
Leben gelingt am besten,
wenn wir uns nicht durch zu viel
Gepäck belasten.
15. Sicherheitsschloß
Vorsicht! Diebstahl! Ein
gutes Schloß ist heutzutage wichtig.
Immer stärker müssen
die Ketten werden, immer ausgeklügelter
die Systeme. Schließlich
wollen wir uns unser gutes Stück nicht
wegnehmen lassen.
Ist dir schon einmal bewußt
geworden, daß das
Festhalten-wollen ein typisch
menschliches Bestreben ist? Bei
manchen entwickelt sich
daraus eine richtige Leidenschaft. Wir
möchten das, was wir
haben, festhalten. Das geht soweit, daß
wir uns manchmal verzweifelt
gegen notwendige Entwicklungen
stemmen. Das ist im privaten
Leben so, das erfahren wir im
Beruf, so stellt es sich
oft genug in der Kirche dar. Schließlich
erwarten wir das auch von
Gott: Er soll eine feste Größe sein
und bleiben.
Aber was bei einem Motorrad
noch klappen mag, funktioniert bei
Gott nicht: In dem Augenblick,
da wir ihn für uns festhalten
wollen, ist er verschwunden.
Gott ist, wie ein Motorradfahrer,
unterwegs. Er ist auf der
Suche nach Menschen, die für ihn
offen sind.
16. Halstuch
Nicht nur beim Motorradfahren,
auch beim Bergsteigen schätze
ich das Halstuch. Es hält
den Hals warm und trocken, man
glaubt gar nicht wie empfindlich
dieser Körperteil sein kann! Es
verhindert, daß uns
das Regenwasser oder der Schweiß den
Buckel runter läuft.
Auch als Zeichen der Zugehörigkeit zu einer
Gruppe, dient das Halstuch,
dann in einer ganz bestimmten
Farbe. Das Halstuch kann
zum Abbinden einer offenen Wunde
oder zum Schienen bei einem
Bruch verwendet werden. In
diesem Sommer habe ich sogar
Pfifferlinge in meinem roten
Halstuch nach Hause getragen.
Unser Halstuch, ein ganz
bescheidenes Stück Stoff, ist sehr
vielseitig. Bei unserem
Motorradgottesdienst werden beim
Friedensgruß tausende
dieser Tücher zu einem großen Netz
zusammengeknüpft. Das
Halstuch wird zum Zeichen der
Gemeinschaft, die den Frieden
ersehnt; den Frieden auf der
Straße wie die Zufriedenheit
im eigenen Innern; den Frieden mit
Menschen, die bei uns zu
Gast sind, wie den Frieden mit jenen,
die für uns kein Verständnis
haben.
17. Blinker
Rechtzeitig den Blinker
setzen. Alle Verkehrsteilnehmer sollen
wissen, wohin die Fahrt
geht: Rechts ab oder nach links.
Linksabbiegen ist immer
gefährlicher. Da gilt es auf den
Gegenverkehr zu achten.
Auf Fußgänger. Vor allem auf Kinder.
Der Blinker signalisiert
denen, die von vorne kommen und allen
Nachkommenden: Bitte, pass
auf mich auf! Der Blinker sagt
dem Fahrer im Takt: Paß
auf dich auf!
Wohin geht deine Lebensfahrt?
Hast du schon einmal über den
Sinn deiner Fahrten nachgedacht.
Ist immer nur die Straße das
Ziel, das Unterwegssein,
oder willst du auch einmal
ankommen? Wo willst du ankommen?
Der Blinker setzt Zeichen
für die Wegstrecke. Rechts, rechts.
Links, rechts. Solange er
eingesetzt wird, ist das Abbiegen
wichtig. Doch irgendwann
geht es nur noch geradeaus. Dann
gilt es nur noch, das große
Ziel vor den Augen zu haben und
sich durch nichts davon
abbringen lassen. Nicht einmal durch
ein Blinken.
18. Nierengurt
Als ich angefangen habe,
Motorrad zu fahren, da gab es dieses
gute Stück noch nicht.
Bei gutem Wetter ließen wir das Hemd
im Fahrtwind flattern und
dachten nicht an unsere Nieren.
Es ist gut, wenn wir nicht
immer an alles denken müssen. Das
Risiko macht das Leben erst
interessant. So habe ich auch
gedacht, bis ich es am eigenen
Leib erfahren habe, wie
vernünftig ein Nierengurt
ist. Risiko und Vernunft gehören auf
dem Motorrad einfach zusammen.
Es ist gut, wenn die beiden
sich festhalten, so wie
wir es genießen, wenn sich die Sozia bei
der Fahrt übers Land
an uns festhält; ich denke daß es
umgekehrt zwar (noch) seltener
aber genau so genüßlich ist.
Der Nierengurt engt und
nur ein bißchen ein, aber er hält uns
gesund. Die Vernunft bringt
das Risiko auf ein verantwortbares
Maß, weil wir das
Leben lieben.
19. Gruß
Wenn zwei Motorradfahrer
sich begegnen, grüßen sie sich. Sie
haben dafür ein international
bekanntes Zeichen entwickelt: Die
vier Finger der linken Hand
lösen sich fast unmerklich vom Griff
des Lenkers. Es steckt sehr
viel in diesem Gruß der beiden
Menschen, die sich in den
meisten Fällen nie näher kennen
lernen werden: Du bist einer
von unserer Sorte. Wir gehören
zusammen. Ich wünsche
dir gute Fahrt. Paß auf die Polizei auf.
Komm gut nach Hause. Ich
helfe dir, wenn du mich brauchst.
Das alles liegt in dieser
einfachen Handbewegung.
Da soll mir einer sagen,
die Menschen wollten nichts
miteinander zu tun haben.
Motorradfahrer belehren uns eines
Besseren.
Es sind die kleinen Zeichen
und Aufmerksamkeiten, die
Menschen zusammenbringen.
Alles, was geplant ist oder mit
großem Aufwand betrieben
wird, ist eher verdächtig.
20. Hupe
Bei uns heißt die
Regel: Je weniger einer die Hupe braucht,
desto besser ist sein Fahrstil.
In Italien ist das ganz anders. Die
Hupe wird zu allem Möglichen
eingesetzt. Selbstverständlich zu
erst als Achtungszeichen:
Bitte Vorsicht, damit dir und mir
nichts passiert. Dann, vor
allem auf kurvenreichen Strecken:
Hallo, ich warne dich, ich
komme! Viel lieber setzen die Italiener
ihre Hupe allerdings ein,
um zu signalisieren: Hoppla, jetzt
komme ich oder ich bin schon
da. Gegen diese Einsätze ist
sicher nichts zu sagen,
wenn da nicht auch der Angeber wäre.
Den gibt’s auch unter uns.
Angeber sind Menschen, die
mehr sein wollen als sie sind.
Deswegen müssen sie
ständig auf sich aufmerksam machen
und, sie können sich
keine Fehler leisten. Also hupen sie
ständig vor sich hin:
Seht, wie gut ich bin. Der normale
Motorradfahrer hat das nicht
nötig. Wer ein gesundes
Selbstbewußtsein hat,
weiß, was er kann und er weiß auch, was
er nicht kann. Deswegen
kann er sogar noch zu seinen Fehlern
stehen.