von Pfarrer Breitenbach, St. Michael, Schweinfurt

1. Anlasser
        Ein Knopfdruck genügt und die Maschine schnurrt. Mit unseren
        Gefühlen ist das weit schwieriger, auch wenn wir meinen, sie
        müßten ähnlich funktionieren. Doch wie heißt es: "Tausendmal
        berührt...!?" Gefühle lassen sich nicht so einfach ein- und
        abschalten.

        Der Mensch ist keine Maschine. Auch der Partner, die Partnerin
        nicht, selbst wenn wir manchmal im Blick auf unsere
        Beziehungen vom Funktionieren sprechen.

        Gefühle brauchen Nähe, Wärme, Zeit; sie müssen gepflegt
        werden, bevor wirklich etwas "passieren" kann.

        Für ein gutes Miteinander mag es verschiedene Anlässe geben,
        die zum Start helfen. Einen eigentlichen Anlasser gibt es nicht,
        dafür sehr viele schöne, auch lustvolle Möglichkeiten, sich ganz
        auf den anderen Menschen einzulassen.

        Die Achtsamkeit auf die Besonderheit des anderen ist die
        schönste Art Gefühle zu wecken, zu verschenken und zu
        empfangen. Nicht selten der Start zu einem gemeinsamen
        Leben.
 

2. Gas
        Das Einfachste bei der Bedienung des Motorrads ist das Drehen
        am Gasgriff. Kurzer Aufwand, gewaltige Wirkung. Wir haben es
        buchstäblich in der Hand, ob wir auf dem Motorrad gemütlich
        über Land tuckern oder wie mit einer Rakete davonschießen.

        Der entscheidende Dreh zur Sofortbefriedigung liegt. Bequemer
        geht es nicht mehr. Wirkung, Erfolg, Bedeutung, Leistung
        entfalten sich bereits mit einer knappen Drehung. Das ist es,
        was das Motorrad für viele zu einem geilen Instrument macht.

        Wir haben die Maschine mit ihrer ganzen Leistung buchstäblich
        in einer Hand. Haben wir uns damit selber in der Hand?
        Menschliche Sehnsucht ist groß. Wir haben Sehnsucht nach
        mehr und wissen oft nicht, wovon wir eigentlich mehr haben
        wollen.

        Der Gasgriff sagt uns, wie sehr wir bedürftig sind; daß uns
        diese Welt nicht zufrieden stellen kann. Alles, was an unserem
        Motorrad ist, verweist uns über uns hinaus. Selbst wenn wir das
        Schönste erleben, müssen wir uns sagen: Das kann es nicht
        gewesen sein.

        Das ist das Geheimnis der Maschine, das es für das Leben zu
        entschlüsseln und zu deuten gilt.

 3. Tankstelle
        Auch wenn wir uns darüber ärgern und wenn es den
        Geldbeutel  ganz schön schröpft,
        nach einer bestimmten Kilometerzahl  müssen wir eine
       Tankstelle anfahren. Die Tankfüllung ist der
       Preis für die Mobilität, für die Erfahrung und das Erlebnis,
        unterwegs zu sein. Diesen Preis haben wir wieder und wieder
        zu zahlen.

        Das sehen wir ein, aber ansonsten huldigen wir dem
        Aberglauben, es gehe im übrigen Leben ohne Tankstelle, ohne
        Auftanken. Es könne, es müsse immer er so weiter gehen. Wer
        keine Tankstelle für sein Leben gefunden hat, verliert an Fahrt;
        schlimmer noch, er verliert seine Mitte und kommt an sein Ende.
        Dann läuft ganz einfach nichts mehr. Jeder von uns braucht
        nach entsprechenden Lebens-kilometern einen Halt, bei dem er
        auftanken kann.

        Wenn wir merken, daß uns der Saft ausgeht, brauchen wir eine
        Raststätte. Damit die Seele nachkommen kann. An der
        Raststätte, das muß nicht unbedingt eine Kirchenbank sein,
        können wir uns zurücklehnen. Wir können in uns
        hineinschauen, wir werden auf uns achten und versuchen, auf
        das zu hören, was Gott uns sagen will. Wenn Er uns wieder
        aufgefüllt hat, kann es in flotter Fahrt bis zur nächsten
        Tankstelle weitergehen.

  4. Sozia/us
        Viele Menschen leben heute einsamer als früher. Sie leben als
        Singles, oft gewollt, nicht selten auch unfreiwillig. Wenn das
        Leben zwei Singles zusammenbringt, dann meist auf eine
        ziemlich unverbindliche, manchmal sogar auf unverantwortliche
        Weise. Man sucht und findet eine kurze Befriedigung und geht
        wieder auseinander, vielleicht einsamer als zuvor.

        Etwas ganz anderes signalisiert der Soziussitz auf der
        Maschine: da gehören zwei so richtig zusammen. Sie halten
        sich fest; sie schwingen miteinander im Takt des Motors; sie
        wiegen sich im Schwung des Motorrads; sie singen miteinander
        im Takt ihrer Herzen.

        Mit der Zeit erreichen sie die gleiche "Kurvenlage", sie werden
        mehr und mehr eins. Sie erfahren ein Leben, das nicht nur das
        Motorrad zusammenhält, für das die Maschine aber ein Zeichen
        sein kann.

        Es ist ein schönes Gefühl, gemeinsam unterwegs zu sein,
        festgehalten zu werden, festhalten zu dürfen; einander das
        Gefühl von Sicherheit, Gleichklang und Geborgenheit zu
        schenken.
 

5. Festhalten
        Wenn zwei miteinander auf dem Motorrad fahren, müssen sie
        einander durch möglichst engen Körperkontakt Halt geben,
        sollten sie möglichst miteinander ein "Herz und eine Seele"
        sein. Das gemeinsame Körpergefühl, die parallelen Reaktionen
        erleichtern das Fahren gerade in Kurven oder in schwierigen
        Situationen.

        Es gibt Ereignisse in unserem Leben, da sagen wir dem
        anderen:

        Halte mich jetzt ganz fest, damit wir gut voran-, damit wir gut
        ankommen. Dazu gehört Vertrauen. Dieses Vertrauen
        entwickeln wir aber nur dann, wenn wir auch wieder losgelassen
        werden. In einer guten Partnerschaft sind das Festhalten und
        das Loslassen ganz wichtige Weisen des Miteinander. Das
        Klammern engt ein und macht Angst.

        Jeder von uns braucht einen sicheren und zuverlässigen Ort, an
        dem er ganz ungeschützt "Ich" sagen und sich öffnen kann.
        Dieser Ort kann im wahrsten Sinne des Wortes miteinander
        erfahren werden. Drei Wünsche gebe ich beim Gottesdienst
        gerne den Motorradfahrern mit: Paßt gut auf euch auf! Haltet
        euch richtig fest. Aber laßt euch auch los, damit ihr euch wieder
        finden könnt.

6. Helm
        Vor 40 Jahren fuhren wir mit dem Motorrad ohne Helm und
        Nierengurt, ohne besondere Schutzkleidung über mäßig
        ausgebaute Straßen. Haare und Hemd flatterten im Fahrtwind.

        Wer heute vor dem Start den Helm aufsetzt, schützt nicht nur
        seinen Kopf. Er sagt sich auch: Ich bin mir etwas wert.
        Menschen, die ein gesundes Selbstwertgefühl haben, deren Ich
        nicht ständig durch aggressives Fahrverhalten auf Touren
        gebracht werden muß oder durch Streicheleinheiten getröstet,
        haben sich selber im Griff. Sie haben ein Gespür für ihre
        Grenzen. Ein Angeber darf keine Fehler zugeben, sonst
        bröckelt der Putz; deswegen trägt er immer einen "Helm"; er
        muß so tun, als wäre er immer in Fahrt.

        Wer weiß, was er ist und was er kann, bringt es fertig, im
        richtigen Augenblick zu sich ja und zu manchem deswegen
        nein zu sagen. Deswegen kann er noch zu seinen Fehlern und
        Schattenseiten stehen. Er lebt ganz bewußt, auch dann, wenn
        er den Helm wieder abgenommen hat.

7. Auspuff
        Jeder weiß, was passiert, wenn der Auspuff verstopft ist. Der
        Motor stottert und stirbt ab. Auch wenn die Verstopfung
        behoben ist, will der Motor so leicht nicht wieder anspringen. Er
        muß sich erst reinigen, bis er wieder rund läuft.

        Das läßt sich auf unser Leben übertragen: Wir nehmen Tag für
        Tag ungeheuer viel auf: Freude, Ärger, Lustvolles,
        Enttäuschendes. Kraftstoffe für unser Planen, Denken und
        Handeln. Die Große Gefahr ist, daß einer dann schnell zu ist.
        Wer alles festhält, leidet bald an Verstopfung.

        Das Loslassen ist wichtig. Normalerweise geschieht das im
        Gespräch. Wer über seine Wut wie über seine Freuden, wer
        über seine Trauer und seine Enttäuschung reden kann, befreit
        sich. Er verhindert, daß sein Motor an den eigenen Abgasen
        erstickt.

        Die Verstopfung kann sich in unserem Körper leibhaftig
        auswirken: wir kriegen Gallensteine, wir ärgern uns
        Magengeschwüre an, es schlägt uns aufs Herz, geht an die
        oder ist im Kopf nicht auszuhalten. Alles Signale, daß unser
        Auspuff zu verstopfen droht.

8. Licht
        Am Niederrhein gibt es eine merkwürdige Lichterprozession.
        Tausende von Motorradfahrern tuckern mit eingeschalteten
        Scheinwerfern am Marienheiligtum zu Kevelaer vorbei. Etliche
        Stunden dauert dieser abendliche Korso des Lichts.

        Wo es Licht gibt, gibt es auch Schatten. Wer für andere wie ein
        Licht sein will, muß zu seinen Schattenseiten stehen, er muß
        auch die Fehler anderer akzeptieren. Leider ist es oft so, daß wir
        mit unseren grellen Scheinwerfern unbarmherzig die
        Schattenseiten der anderen ausleuchten; sie bloßstellen. Wer
        andere blendet, macht sie unsicher, riskiert den Unfall.

        Wenn wir ehrlich zu uns sind, zeigt es sich, daß wir die
        Blendung anderer nur unsere eigenen Fehler zudecken wollen.
        Wir im Licht des Scheinwerfers unsere eigenen Flecken am
        anderen sichtbar und kritisieren damit uns selbst.

        Nimm deinen Schatten zum Weggefährten lautet eine wichtige
        Lebensregel. Das will sagen, steh zu dem, was du auch bist.
        Nimm dich an, wie du bist, dann wird dein Licht nicht blenden,
        es wird leuchten und sich mit den Lichtern der anderen zu einer
        großen Prozession verbinden.

  9. Bremse
        Die Bremse ist das wichtigste Element am Motorrad. In vielen
        Einzelfällen hat sie das Leben gerettet. Wer aber voll in die
        Eisen steigt, kann trotz ABS die hilfreiche Wirkung der Bremse
        in das Gegenteil  verkehren.
        Er steigt ab, schneller als ihm lieb sein kann.

        Viele von uns verwenden ihre eingebaute Bremse nie. Sie
        drehen sich wie der Hamster im Rad ständig im Kreis. Sie
        kreisen um sich selbst. Wer das bei sich bemerkt, der müßte
        schnellstens auf die Bremse treten, um aus dem
        selbstgewählten Druck auszusteigen. Motorradfahrer haben ein
        feines Gespür für die Zwänge von innen und den Druck von
        außen. Deswegen wollen sie ausbrechen. Manche probieren
        das an jedem Wochenende. Aber es gelingt nicht, weil sie sich
        nur selbst davonfahren.

        Vor sich selber auf der Flucht, setzen sie sich weiter unter
        Druck. Sie werden immer wieder von den eigenen Problemen
        eingeholt. Dann gilt es sanft, aber entschlossen und nachhaltig
        in die Eisen zu steigen. Es muß einer nicht erst gewaltsam
        absteigen, um zu sich selbst zu kommen.

   10. Kupplung
        In einer ordentlichen Kupplung greift alles ineinander und
        schaltet den Motor hinauf oder herunter. Das sollte möglichst
        satt, ohne Geräusch und Erschütterung gehen.

        Im unserem Leben läuft das nicht immer so glatt. Das Leben ist
        nicht erschütterungsfrei; nicht selten knirscht es im Getriebe.
        Wir sind angeschlagen; so sehr verletzlich, daß wir auch andere
        verletzen, selbst wenn wir das nicht wollen. Nobody is perfekt,
        sagen wir, und vergessen doch, daß wir dazugehören.

        Wenn eine Kupplung defekt ist, werden wir sie reparieren oder
        austauschen. Wenn wir nicht mehr ruhig und sicher schalten
        können, sollten wir uns besinnen und ändern. Veränderung tritt
        ein, wenn etwas Neues beginnen kann.

        Das bedeutet für uns, manches Alte, an dem wir hängen, muß
        absterben. Erst dann führt die Veränderung zum
        Anderswerden. Erst dann schalten wir wieder sicher; erst dann
        läuft unser Motor wieder rund.

11. Fußstütze
        Die Fußstützen liegen ein wenig unter dem Schwerpunkt der
        Maschine. Mir scheint, bei der Ausstattung der Maschine
        werden die Fußstützen ein wenig stiefmütterlich behandelt,
        obwohl sie sehr wichtig sind.

        Sie sind wie jener Teil unserer Seele, der schon immer ja zu
        Gott gesagt hat, und den wir auch ein wenig abschätzig
        behandeln. Die Fußstützen unserer Seele sind ein Symbol der
        Verläßlichkeit. Wir können darauf vertrauen, daß selbst unsere
        Schattenseiten, unsere Ausfälle, unsere Alkohol- oder
        Drogenprobleme zwar verfehlte, aber immerhin Versuche sind,
        eine Stütze zu finden, die uns Halt geben in den Verrücktheiten
        des Lebens.

        Gott, zu dem ein Teil von uns schon immer ja gesagt hat, ist
        sich nicht zu gering, wie ein Stück Eisen, wie ein Gummi unter
        unseren Füßen zu sein. Er wartet darauf, daß wir bei ihm einen
        Halt finden und uns auf ihm ausruhen.

12. Reifen
        Die Wenigsten von euch werden die beiden Reifen an der
        Maschine mit einer Romanze in Verbindung bringen. Unter einer
        Romanze verstehen wir die aufregende, intensive,
        gefühlsbetonte, gelegentlich dramatische Begegnung zwischen
        zwei Menschen.

        Eine Romanze spielt sich zwischen Reifen und Straße ab. Beide
        wärmen, heizen sich aneinander auf, und halten doch das
        rechte Maß zwischen Haftung und Loslassen.

        Bei einer Romanze geht es darum, daß man ein Risiko eingeht,
        ein Abenteuer wagt, daß man aufbricht, um anzukommen. Bei
        Abenteuer und Risiko geht es immer um etwas Neues und
        Unbekanntes. Man sucht, was größer und bedeutsamer ist, als
        man selbst. Die Romanze zwischen Reifen und Straße, so
        flüchtig sie auch ist, bringt voran.

        Die Romanze zwischen einem Mann und einer Frau weckt für
        beide ungeahnte Kräfte. Wie viel mehr die Romanze eines
        Menschen mit Gott. Sie stellt alle bisherigen Erfahrungen in den
        Schatten, wenn wir es bei der Fahrt unseres Lebens darauf
        ankommen lassen.

13. Tachometer
        "Wie weit geht der Tacho?" Als Kinder haben wir den Wert eines
        Motorrads danach beurteilt: 150 - 180 - 220 - 240 ... Doch die
        Geschwindigkeit ist nicht alles, auch wenn es reizt, die Nadel
        bis zum Abschlag zu treiben.

        Bis zum Anschlag! Das Leben auskosten. "Born to be wild." Das
        sind nicht nur Slogans. Das sind Sehnsüchte, die wir für unser
        Leben haben. Wir wünschen uns ein Leben, das bis an den
        Rand geht.

        Bevor uns diese Wünsche buchstäblich aus der Bahn werfen,
        sollten wir auf unserem Tacho eine rote Linie ziehen: Bis hierher
        und nicht weiter. Dieses Leben kann uns nicht alles bieten,
        selbst wenn wir bis an die Grenzen gehen; auch dann nicht,
        wenn wir diese Grenzen überschreiten. Die Ernüchterung
        kommt, die Enttäuschung drückt uns nieder.

        Ich kenne einen, der uns "Leben in Fülle" versprochen hat. Das
        volle Leben ist in unserer Welt nicht zu finden. Deswegen gilt es
        so durch dieses Leben zu fahren, daß wir die Welt Gottes nicht
        aus dem Blick verlieren. Versprochen ist schließlich
        versprochen.

14. Packtaschen
        Packtaschen vollbringen ein Wunder. Sie bieten wenig Raum.
        Der Berg der Sachen, die unbedingt auf die Reise
        mitgenommen werden sollen, ist riesengroß. Jetzt gilt es
        auszuwählen: Was wird gebraucht, was kann daheim bleiben?
        Noch immer reicht der Platz nicht. Eine erneute Auswahl
        beginnt. Dann endlich ist alles verstaut.

        Packtaschen trennen Nötiges von Überflüssigem und lehren
        uns eine uralte Weisheit: Christen reisen mit leichtem Gepäck.
        Wir müssen nicht alles haben, was uns angeboten wird. Wir
        brauchen nicht alles, was uns eingeredet wird. Wir können
        wählen.

        Mal ehrlich: Das Zuviel macht nicht zufrieden, belastet nur.
        Alles, was wir besitzen, gilt es zu sichern. Gegen Neid. Gegen
        Eifersucht. Gegen Diebstahl.

        Je weniger wir mit uns herumschleppen müssen, desto
        zufriedener können wir leben. Was wir wirklich brauchen, ist
        herzlich wenig. Wenn Motorradfahrer Ferien machen, auf
        Urlaub gehen, zeigen sie aller Welt: Unsere Reise durch dieses
        Leben gelingt am besten, wenn wir uns nicht durch zu viel
        Gepäck belasten.

15. Sicherheitsschloß
        Vorsicht! Diebstahl! Ein gutes Schloß ist heutzutage wichtig.
        Immer stärker müssen die Ketten werden, immer ausgeklügelter
        die Systeme. Schließlich wollen wir uns unser gutes Stück nicht
        wegnehmen lassen.

        Ist dir schon einmal bewußt geworden, daß das
        Festhalten-wollen ein typisch menschliches Bestreben ist? Bei
        manchen entwickelt sich daraus eine richtige Leidenschaft. Wir
        möchten das, was wir haben, festhalten. Das geht soweit, daß
        wir uns manchmal verzweifelt gegen notwendige Entwicklungen
        stemmen. Das ist im privaten Leben so, das erfahren wir im
        Beruf, so stellt es sich oft genug in der Kirche dar. Schließlich
        erwarten wir das auch von Gott: Er soll eine feste Größe sein
        und bleiben.

        Aber was bei einem Motorrad noch klappen mag, funktioniert bei
        Gott nicht: In dem Augenblick, da wir ihn für uns festhalten
        wollen, ist er verschwunden. Gott ist, wie ein Motorradfahrer,
        unterwegs. Er ist auf der Suche nach Menschen, die für ihn
        offen sind.

16. Halstuch
        Nicht nur beim Motorradfahren, auch beim Bergsteigen schätze
        ich das Halstuch. Es hält den Hals warm und trocken, man
        glaubt gar nicht wie empfindlich dieser Körperteil sein kann! Es
        verhindert, daß uns das Regenwasser oder der Schweiß den
        Buckel runter läuft. Auch als Zeichen der Zugehörigkeit zu einer
        Gruppe, dient das Halstuch, dann in einer ganz bestimmten
        Farbe. Das Halstuch kann zum Abbinden einer offenen Wunde
        oder zum Schienen bei einem Bruch verwendet werden. In
        diesem Sommer habe ich sogar Pfifferlinge in meinem roten
        Halstuch nach Hause getragen.

        Unser Halstuch, ein ganz bescheidenes Stück Stoff, ist sehr
        vielseitig. Bei unserem Motorradgottesdienst werden beim
        Friedensgruß tausende dieser Tücher zu einem großen Netz
        zusammengeknüpft. Das Halstuch wird zum Zeichen der
        Gemeinschaft, die den Frieden ersehnt; den Frieden auf der
        Straße wie die Zufriedenheit im eigenen Innern; den Frieden mit
        Menschen, die bei uns zu Gast sind, wie den Frieden mit jenen,
        die für uns kein Verständnis haben.

17. Blinker
        Rechtzeitig den Blinker setzen. Alle Verkehrsteilnehmer sollen
        wissen, wohin die Fahrt geht: Rechts ab oder nach links.
        Linksabbiegen ist immer gefährlicher. Da gilt es auf den
        Gegenverkehr zu achten. Auf Fußgänger. Vor allem auf Kinder.
        Der Blinker signalisiert denen, die von vorne kommen und allen
        Nachkommenden: Bitte, pass auf mich auf! Der Blinker sagt
        dem Fahrer im Takt: Paß auf dich auf!

        Wohin geht deine Lebensfahrt? Hast du schon einmal über den
        Sinn deiner Fahrten nachgedacht. Ist immer nur die Straße das
        Ziel, das Unterwegssein, oder willst du auch einmal
        ankommen? Wo willst du ankommen?

        Der Blinker setzt Zeichen für die Wegstrecke. Rechts, rechts.
        Links, rechts. Solange er eingesetzt wird, ist das Abbiegen
        wichtig. Doch irgendwann geht es nur noch geradeaus. Dann
        gilt es nur noch, das große Ziel vor den Augen zu haben und
        sich durch nichts davon abbringen lassen. Nicht einmal durch
        ein Blinken.

18. Nierengurt
        Als ich angefangen habe, Motorrad zu fahren, da gab es dieses
        gute Stück noch nicht. Bei gutem Wetter ließen wir das Hemd
        im Fahrtwind flattern und dachten nicht an unsere Nieren.

        Es ist gut, wenn wir nicht immer an alles denken müssen. Das
        Risiko macht das Leben erst interessant. So habe ich auch
        gedacht, bis ich es am eigenen Leib erfahren habe, wie
        vernünftig ein Nierengurt ist. Risiko und Vernunft gehören auf
        dem Motorrad einfach zusammen. Es ist gut, wenn die beiden
        sich festhalten, so wie wir es genießen, wenn sich die Sozia bei
        der Fahrt übers Land an uns festhält; ich denke daß es
        umgekehrt zwar (noch) seltener aber genau so genüßlich ist.
        Der Nierengurt engt und nur ein bißchen ein, aber er hält uns
        gesund. Die Vernunft bringt das Risiko auf ein verantwortbares
        Maß, weil wir das Leben lieben.

19. Gruß
        Wenn zwei Motorradfahrer sich begegnen, grüßen sie sich. Sie
        haben dafür ein international bekanntes Zeichen entwickelt: Die
        vier Finger der linken Hand lösen sich fast unmerklich vom Griff
        des Lenkers. Es steckt sehr viel in diesem Gruß der beiden
        Menschen, die sich in den meisten Fällen nie näher kennen
        lernen werden: Du bist einer von unserer Sorte. Wir gehören
        zusammen. Ich wünsche dir gute Fahrt. Paß auf die Polizei auf.
        Komm gut nach Hause. Ich helfe dir, wenn du mich brauchst.
        Das alles liegt in dieser einfachen Handbewegung.

        Da soll mir einer sagen, die Menschen wollten nichts
        miteinander zu tun haben. Motorradfahrer belehren uns eines
        Besseren.

        Es sind die kleinen Zeichen und Aufmerksamkeiten, die
        Menschen zusammenbringen. Alles, was geplant ist oder mit
        großem Aufwand betrieben wird, ist eher verdächtig.

20. Hupe
        Bei uns heißt die Regel: Je weniger einer die Hupe braucht,
        desto besser ist sein Fahrstil. In Italien ist das ganz anders. Die
        Hupe wird zu allem Möglichen eingesetzt. Selbstverständlich zu
        erst als Achtungszeichen: Bitte Vorsicht, damit dir und mir
        nichts passiert. Dann, vor allem auf kurvenreichen Strecken:
        Hallo, ich warne dich, ich komme! Viel lieber setzen die Italiener
        ihre Hupe allerdings ein, um zu signalisieren: Hoppla, jetzt
        komme ich oder ich bin schon da. Gegen diese Einsätze ist
        sicher nichts zu sagen, wenn da nicht auch der Angeber wäre.
        Den gibt’s auch unter uns.

        Angeber sind Menschen, die mehr sein wollen als sie sind.
        Deswegen müssen sie ständig auf sich aufmerksam machen
        und, sie können sich keine Fehler leisten. Also hupen sie
        ständig vor sich hin: Seht, wie gut ich bin. Der normale
        Motorradfahrer hat das nicht nötig. Wer ein gesundes
        Selbstbewußtsein hat, weiß, was er kann und er weiß auch, was
        er nicht kann. Deswegen kann er sogar noch zu seinen Fehlern
        stehen.